Das Ruhrgebiet bildet sich im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einem explosiven Schmelztiegel industrieller Entwicklung. Gelsenkirchen, Essen, Oberhausen und vor allem Hamborn und Duisburg machen eine nachhaltige Entwicklung mit. Kohlebergbau und das Voranschreiten der Stahlverarbeitung treibt die Entwicklung des Ruhrgebietes.
Ab 1880 verstärkt sich die Ost-West-Wanderung aus dem preußischen Osten ins Ruhrgebiet. Die Arbeiter aus dem deutschen, österreich-ungarischen und russischen Polen gewannen immer mehr an Attraktivität für Industrie und Landwirtschaft. Polnische Saisonarbeiter arbeiten in der Industrie, vor allem in Bergbau, Hüttenwesen, Baugewerbe und Ziegelherstellung, sowie im Osten in der Landwirtschaft. Insbesondere die ostelbischen Güter verlegen sich immer mehr auf die 400.000 Billiglohnkräfte. Die Pendler waren ungelernt, saisonal, leisteten längere Arbeitszeiten und erhielten niedrigere Löhne als die deutschen Arbeitskräfte. Funktional dienten die polnischen Saisonarbeiter oft als Lohndrücker und Streikbrecher. 1890 führt die preußische Verwaltung das Regelwerk "Karenzzeit" ein, welches die Zuwanderer verbindlich zwingt, nach Ablauf der Saison das Land zu verlassen [Mark Terkessidis,2000]
Während gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Auswanderung Deutscher rückläufig war, zogen Fremde nach Deutschland zu. Die Arbeitsmigration entstand aus der Nachfrage nach Arbeitskräften während der Industrialisierung. 1871 ziehen nach dem deutsch-französischen Krieg die Ruhrpolen nach Deutschland und verwandeln das Ruhrgebiet in eine "polnische Kolonie". Es handelt sich um Bergarbeiter aus Oberschlesien, polnische Landarbeiter aus Ost- und Westpreußen sowie aus Posen. Den Zechenunternehmern gelingt es damit, den sprunghaft gestiegenen Bedarf an Arbeitskräften im Ruhrbergbau zu decken. Die deutsche Arbeiterschaft nimmt die "Ruhrpolen" als fremd wahr, wegen ihrer streng katholischen Konfession und ihrer ungewohnten Sprache. Folglich bilden die Polen ein eigenständiges Arbeitermilieu in den Städten des Ruhrgebiets. Die Siedlungszentren sind Essen, Dortmund und Gelsenkirchen. 1871 lebten im Ruhrgebiet 536.000 Menschen, 1910 sind es bereits drei Millionen. Eine halbe Million sind polnischer Herkunft. Bottrops Gemeinde zählte im Jahr 1875 6.600 Einwohner, 1900 vervierfachte sich die Zahl, 40 Prozent der Bevölkerung waren polnischer Abstammung. 1915 wiederum zählte Bottrop 69.000 Einwohner, die einheimische westfälische Wohnbevölkerung stellte die Minderheit dar. 1911 stellen die Migranten 36 Prozent der Belegschaften der Zechen [Heckmann 1992:19]. Vor der polnischen Einwanderungswelle waren nur wenig deutsche Arbeitslose dazu bereit, im ehemals kaum besiedelten Ruhrgebiet zu arbeiten. Die meisten sich dort ansiedelnden Deutschen kamen aus Schlesien. Das Zusammenspiel der verschiedenartigsten Traditionen brachte die industrielle Kultur hervor, für die das Ruhrgebiet noch heute bekannt ist. Die Integration gelang komplett; die staatliche Politik wies stark antipolnische Züge auf. Zudem gab es nach dem ersten Weltkrieg eine Rückwanderungswelle in den wiedergegründeten polnischen Staat. Die polnische Abstammung der heutigen Bevölkerung des Ruhrgebiets ist heute meist nur noch am Familiennamen zu erkennen, weil die Sprache kaum noch gepflegt wird.